"Enzo, ich kann nicht einschlafen!" sagt PETRA.
"Obwohl ich schon mindestens fünfzig Schäfchen gezählt
habe. Es klappt einfach nicht." Der Clown rückt einen Stuhl
ans Bett und setzt sich. "Soll ich dir noch etwas vorlesen?"
fragt er. PETRA strahlt. "Am liebsten
mag ich Märchen. Aber keine, in denen es grausam zugeht." Enzo
nickt. "Keine Sorge. Meine Gute-Nacht-Geschichten dürften genau
das Richtige für dich sein." Er schlägt das Buch auf. "Die
erste Geschichte heißt 'Der Drachenvogel'." Enzo räuspert
sich, dann beginnt er: "Der Riesendrache lebte in einer großen,
dunklen Felsenhöhle am Fuße eines hohen Berges. Als er an diesem
Morgen seine Höhle verließ, um in der Nähe zu frühstücken,
traf er nach wenigen Metern schon einen kleinen Vogel, der am Wegesrand
auf einem Stein hockte. Achtlos ging er an dem Vogel vorbei. Da stimmte
dieser ein herzzerreißendes Klagelied an. Verwundert hielt der Riesendrache
inne. "Ach, du meine Güte! Singst du immer so falsch?"
fragte er. "Dies ist ein Klagelied, lieber Drache", piepste
der Vogel traurig. "Ich habe mir nämlich gestern den rechten
Flügel gebrochen. Er läßt sich überhaupt nicht mehr
bewegen."
Seite 3, Leseprobe:
"Oje!" seufzt PETRA. "Der
arme Vogel!" Enzo sieht kurz auf, dann fährt er fort: "Der
Riesendrache aber wollte endlich frühstücken. "Du darfst
mich nicht allein lassen!" piepste der Vogel. "Wenn mich eine
Wildkatze oder eine Schlange entdeckt, bin ich verloren!" An diese
Möglichkeit hatte der Drache überhaupt nicht gedacht. Er überlegte
eine Weile. "Paß auf!" sagte er dann. "Du kletterst
auf meinen Rücken. Dort wird es keiner wagen, dich anzugreifen. Denn
er würde es mit mir zu tun bekommen." "Aber wie soll der
verletzte Vogel das denn schaffen?" fragt PETRA.
"Das wirst du gleich hören", antwortet Enzo und liest vor:
"Und so legte der Riesendrache seinen Schwanz ganz flach auf den
Boden. Der Vogel brauchte nur darauf zu hüpfen und auf ihm hochzuklettern.
Als er oben zwischen zwei Zacken einen gemütlichen Sitzplatz gefunden
hatte, konnte es endlich losgehen. Der Drache ging hinunter zu dem Gebirgssee.
Bevor er ins kalte Wasser stieg, um zu baden und zu trinken, ließ
er den Vogel absteigen, damit auch dieser sich am seichten Ufer erfrischen
konnte. Dann nahmen sie auf der Wiese ein üppiges Frühstücksmahl
zu sich.
Seite 4, Leseprobe:
In den nächsten Tagen führte der Drache seinen Freund zu vielen
schönen Plätzen in der näheren Umgebung, die der Vogel
nie zuvor gesehen hatte. Und wenn der Tag sich seinem Ende zuneigte, dann
begaben sich die beiden in die Felsenhöhle des Drachen. Dort war
der Vogel die ganze Nacht über vor seinen Feinden geschützt."
"Der Vogel hat großes Glück gehabt, daß er einen
so hilfsbereiten Drachen getroffen hat", sagt PETRA
erleichtert. Enzo nickt. Dann fährt er fort: "Nach einigen Tagen
war der gebrochene Flügel wieder gut zusammengewachsen. Der Vogel
konnte nun wieder so flink und so geschwind fliegen wie zuvor. Er bedankte
sich noch einmal für die große Hilfe. "Ach was!"
Der Riesendrache wurde ein wenig verlegen. "Das war doch eine Selbstverständlichkeit.
Hauptsache, es hat dir auf meinem Rücken gut gefallen." "Es
war wunderbar!" erwiderte der Vogel. "Etwas mußt du mir
versprechen", sagte der Drache zum Abschied. "Wenn du wieder
einmal in diese Gegend kommst, mußt du mich unbedingt besuchen,
ja?" Der Vogel nickte eifrig. Dann flog er davon, geradewegs in den
blauen Himmel hinein."
Dieses Buch hat 20 Seiten Inhalt. Preis EUR 14,90 /SFR 26,90